25. Juli 2022

»Ulla und die Wege der Liebe«: Ulrike Renk über den dritten Band ihrer großen Familiensaga

In ihrer neuen Saga erzählt Ulrike Renk über die Frauen der Künstlerfamilie Dehmel Anfang des letzten Jahrhunderts. Hier spricht die Autorin darüber, was sie an der Epoche so fasziniert, mit welchen Schwierigkeiten sich Frauen damals wie heute auseinandersetzen müssen, und erzählt, welche Recherchearbeit hinter ihrem Roman »Ulla und die Wege der Liebe« steckt.

Band drei der Saga »Ulla und die Wege der Liebe« spielt Anfang der zwanziger Jahre – trotzdem ist die Protagonistin Ulla mit Problemen konfrontiert, die wir heute auch noch allzu gut kennen: der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, der Frage, wie man sich und seiner Berufung treu bleiben kann, wenn man Mutter wird. Was hat sich in den letzten 100 Jahren verändert, was ist gleich geblieben?

Während des Ersten Weltkrieges mussten viele Frauen arbeiten, da die Männer an der Front waren. Kinderbetreuung, so wie wir sie kennen, gab es damals kaum. Entweder die großen Geschwister, die Großeltern oder andere Verwandtschaft passten auf die Kleinkinder und Säuglinge auf, oder die Kinder blieben eben allein – wie es oft in den armen Familien, wo jede Arbeitskraft gebraucht wurde, der Fall war. In der Mittel- und der gehobenen Schicht dagegen war es nicht üblich, dass die Frauen arbeiteten. Die meisten Familien hatten ein Kindermädchen oder Bedienstete. Meine Protagonistinnen Ulla und Vera sind da anders, sie wollten arbeiten – gestalten, Kunst machen –, sicherlich auch, um Geld zu verdienen, aber vor allem aus dem inneren Bedürfnis heraus, etwas zu erschaffen. In den zwanziger Jahren war das nicht mehr so verpönt wie noch Jahre zuvor, aber dennoch eine Ausnahme. Und auch heute noch ist es häufig ein Problem, Kinder und Beruf zu vereinbaren – oft genug müssen sich die Frauen neben ihrer Erwerbsarbeit auch noch um den Haushalt kümmern.
 

Ulla taucht an der Seite ihrer Künstlerfreunde in das wilde Bohème-Leben der zwanziger Jahre ein. Kostümpartys, Séancen, Varieté. Warum ist diese Epoche noch heute so faszinierend?

Damals gab es einen großen Umbruch, die Gesellschaft öffnete sich. Viele Dinge wurden ausprobiert, Tabus gebrochen – vor allem in Großstädten wie Berlin oder Hamburg. Die Kleider wurden kurz, die Haare ebenfalls. Gerade in den Künstlerbewegungen probierte man aus. Es war der Tanz auf dem Vulkan, eine Zwischenzeit … denn der nächste Krieg drohte ja schon. Für eine kurze, goldene Zeit gaukelte man sich vor, dass alles frei und möglich sei, dass der Aufschwung nach dem Krieg sich durchsetzen würde. Es war auch eine sehr hektische Zeit – wie eine Kerze, die an zwei Enden brennt. Da viele Regeln der Gesellschaft fielen oder gedehnt wurden, da vieles ausprobiert wurde, erscheint uns heute diese Zeit als sehr frei und faszinierend.

Mehr zu Band 1 und 2 der Berlin-Familiensaga

Teil 1 und 2 der Saga

Mehr von Ulrike Renk

Ach im Gespräch