25. Juli 2022

Mit Bettina Storks auf den Spuren von Ingeborg Bachmann und Max Frisch

Bettina Storks erzählt in »Ingeborg Bachmann und Max Frisch – Die Poesie der Liebe« bewegend und genau recherchiert die Liebesgeschichte zweier Ikonen der Literatur. Im Gespräch führt die Autorin uns mithilfe von Fotos an bedeutsame Orte der Liebe zwischen Bachmann und Frisch. Untermalt werden die Eindrücke mit Passagen aus dem Roman.

Liebesanflug

In Paris, der Stadt der Liebe, findet im Sommer 1958 die erste Begegnung von Ingeborg Bachmann und Max Frisch statt. Anstatt die französische Premiere von Frischs Bühnenstück »Biedermann und die Brandstifter« zu besuchen, verbringt das Paar seine erste gemeinsame Nacht auf einer Parkbank, bis im Morgengrauen der Pariser Markt Les Halles seine Türen öffnet.

»Vor einem Straßencafé setzten sie sich dicht nebeneinander. Dort verharrten sie wie zwei Übriggebliebene der Pariser Nacht: Ingeborg in ihrer Abendgarderobe, dem langen Kleid und hohen Schuhen, Max in einem zweckmäßigen Anzug, als habe er von Anfang an niemals vorgehabt, ein Theater zu betreten. Gemeinsam genossen sie die kühle Frische des neuen Tages und staunten jeder für sich über das Wunder, das ihnen widerfahren war.«

 

Annäherung

In der Franz-Josef-Straße 6a in München, lebt Ingeborg Bachmann in dem heute senffarbenen, renovierten Gebäude – in unmittelbarer Nähe zu ihrem Hausverlag Piper. Max Frisch besucht sie nach der ersten Begegnung in München.

»Möchtest du mit mir leben?«, fragte er und ließ den Blumenstrauß fallen. »Ja«, sagte sie ohne das geringste Zögern. Nur das Flattern in ihren Augen verriet, wie aufwühlend sein Antrag für sie sein musste. 

Liebesversuch

In Frischs Heimatstadt Zürich folgt 1958 der erste Versuch des Paars, eine Art Zusammenleben in zwei Wohnungen zu gestalten. Ingeborg Bachmann bezieht die Feldeggstraße mitten in Zürich. Max Frisch lebt in der Nähe von Uetikon, am Zürichsee in einem alten Bauernhaus.

»Besuche bei ihr in der Feldeggstraße, selbstverständlich unter dem strengen Blick der Nachbarn. Wir sind kein legitimes Paar, aber Schriftsteller führen nun mal ein Exotenleben. Die Gesellschaft schüttelt den Kopf und lässt uns irgendwie gewähren.«

Männergespräche

In der Kronenhalle Zürichs treffen Max Frisch und sein größter Rivale und Freund Friedrich Dürrenmatt regelmäßig aufeinander. Im Roman wird Frisch von einem Freund begleitet. Ihm berichtet Max Frisch von seiner neuen großen Liebe.

»Ihre dunklen Seiten, ihre Abgründe, ihr In-falsche-Züge-Einsteigen, ihr Am-falschen-Bahnhof-Aussteigen, ihr Zu-spät-Kommen in jeder Lebenssituation, immer und immer wieder, ihr pathologisches Problem mit der Zeit – aber es gibt auch das: ihr helles Lachen, ihr brillantes Unterhalten-Können, ihr Trinken-können-wie-ein-Bauarbeiter, ihre Nähe, ihr Entweder-oder. Dazwischen passt kein Wort, nicht einmal ein Buchstabe, ein Semikolon und schon gar kein Punkt und Komma.«

Paradiese

Im Haus am Langenbaum, dem ältesten Haus Uetikons am Zürichsee, leben Ingeborg Bachmann und Max Frisch von 1959 bis 1963 zusammen.

»Auf der Rückseite des Hauses führte der schnurgerade Weg direkt zum Zürichsee. Der verwunschene Garten, das Paradies.«

Sinnbild einer Liebe

Am Gotthard-Pass verabreden sich Ingeborg Bachmann und Max Frisch nach ihrem ersten großen Streit. Er reist aus Zürich an, sie aus Rom. Frisch liebte die Berge, fühlte sich magisch zu den typischen Schweizer Landschaften hingezogen.

»Ihre beiden identischen VW Käfer standen einander am Gotthard gegenüber. Dann plötzlich riss sie die Tür auf, und er tat es ihr gleich. Sie liefen um ihre Autos herum einander entgegen, hielten sich lange fest. Er nahm den Duft ihres Parfüms wahr. Es war immer noch dasselbe: Carven for women. Erleichtert schloss er die Augen und hörte auf zu denken.«

Römisches Leben

Im Diplomatenviertel Roms beziehen Ingeborg Bachmann und Max Frisch 1960 diese herrschaftliche Villa in der Via Guiseppe di Notaris. Fortan gibt es zwei Wohnsitze für das Paar: Uetikon und Rom. Sie liebt die italienische Hauptstadt und wird ihr ein Leben lang die Treue halten.

»Ascolta, Signore Moretti, ascolta bene, hören Sie mir gut zu«, sagte sie zu dem Wohnungsmakler, wie eine Prinzessin, die von ihrem Publikum nicht auf Anhieb erkannt worden war, als gelte es, die Wohnungsinhaberin vor einer folgenschweren Fehlentscheidung zu bewahren. Es gab nicht den geringsten Zweifel: Sie, Ingeborg Bachmann und Max Frisch, waren das einzig richtige Paar für diesen Palast. Eine Absage war ausgeschlossen.

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