07. März 2024

»Ohne Geschichte wird die menschliche Erfahrung hohl«

Von den Orkneyinseln, den USA bis nach Deutschland führt der neue Thriller von Eliot Pattison, übersetzt von Ulrike Seeberger, über einen Veteran des amerikanischen Geheimdienstes. Im Gespräch spricht der Autor über seine komplexe Hauptfigur, darüber, was »Tage des Todes« von seinen bisherigen Büchern unterscheidet, und welche Spannungsfelder im Roman thematisiert werden.

Wie könnte man Ihren neuen Roman »Tage des Todes« am besten beschreiben?

Oberflächlich betrachtet könnte man den Roman als einen Thriller beschreiben, in dem ein desillusionierter Geheimagent dem Geschehen, das hinter Morden im Zusammenhang mit einem abgelegenen schottischen Kloster steckt, nachgeht. Eine tiefere Erklärung wäre, dass es sich um einen Kampf zwischen Ausgestoßenen aus der globalen Geheimdienstgemeinschaft handelt, wobei die eine Seite ihre Fähigkeiten für eine edle humanitäre Sache einsetzt, die andere für kriminelle Gewinne auf globaler Ebene. Letztlich geht es in dem Roman um einen Kampf zum Schutz des menschlichen Erbes in einer Welt verblassender Nationen und zerfallender Institutionen.

Tage des Todes
Empfehlung
Hardcover
22,00 €

Dieser Roman scheint sich deutlich von Ihren beiden Serien zu unterscheiden, die in Tibet und im kolonialen Amerika spielen. Warum diese große Abweichung von Ihrer bisherigen Arbeit?

Die Leser dieser Serien wissen, dass ihre Charaktere zwar mit sehr unterschiedlichen Arten von Widrigkeiten konfrontiert sind – von repressiven chinesischen Gefängnissen bis hin zu brutalen Sklavenhaltern aus der Kolonialzeit –, dass sich ihre Geschichten jedoch letztendlich um den Mut einzelner Menschen und den Triumph des menschlichen Geistes drehen. Während der Hintergrund von »Tage des Todes« aktueller ist und die heutigen globalen Spannungen widerspiegelt, geht es auch hier um zeitlose Werte und den Kampf mutiger Menschen gegen seelenzerstörende Kräfte.

 

Manchmal fühlt sich die Verfolgung in diesem Roman wie eine Jagd durch die Geschichte an. Warum ist die Geschichte so wichtig für Ihre Prämisse?

Die Verfolgung eines Puzzles, dessen Teile sich ohne historisches Wissen nicht zusammenfügen lassen, schien der perfekte Weg zu sein den Leser mit Fragen zum menschlichen Fortschritt und den Hinterlassenschaften vergangener Kulturen zu beschäftigen. Ist es beispielsweise akzeptabel, antike Artefakte zu zerstören, um kurzfristig einen politischen Sieg zu erringen? Wer sind die waren Hüter solcher Artefakte, wenn Staaten sie aufgeben? Unsere Gesellschaft hat die Geschichte abgewertet und entwertet sich damit auch selbst. Keines der Probleme auf der heutigen Weltbühne kann sinnvoll angegangen werden, ohne ihre Geschichte zu verstehen. Ohne Geschichte wird die menschliche Erfahrung hohl. Die Geschichte ist ein wesentlicher Teil der Spannung im Roman, wie auch in unserem Leben. Wir können nicht wissen, wohin wir gehen, wenn wir nicht wissen, wo wir waren.

 

Ihre Hauptfigur verkörpert viele Widersprüche und ist mit einer Schusswaffe genauso vertraut wie mit antiken griechischen Gelehrten. Warum haben Sie diesen komplexen Außenseiter ausgewählt, um eine globale Verschwörung der Korruption und des Todes zu dramatisieren?

Cato Pike, der zum ersten Mal in meinem letzten Roman »Inspektor Shan« vorkam, beherrscht die gefährlichen Künste der Spionage, lebt aber jetzt in einem erbitterten Exil von der Welt und seiner Familie. So etwas wie ein Abtrünniger zu sein, wird zu einer Stärke, denn er muss gegen mächtige geopolitische Institutionen arbeiten. Diese geheimen Fähigkeiten spielen bei seiner Suche eine Rolle, doch nach und nach wird ihm klar, dass es ihm nicht so sehr um die Verfolgung wilder Mörder geht, sondern vielmehr darum, eine dunkle, unausweichliche und befreiende Wahrheit aufzudecken.

 

Dies ist ein tief strukturierter Roman mit vielen Botschaften. Was möchten Sie, dass die Leser letztendlich daraus mitnehmen?

Ich möchte, dass die Leser engagiert und unterhalten werden, aber auch dazu angeregt werden, sich mit tieferen Themen auseinanderzusetzen. Darüber hinaus hoffe ich, das Leseerlebnis etwas lehrreicher zu gestalten – in meinen Roman sind viele subtile Lektionen über die Geschichte eingewoben. Doch letztlich wirft das Buch eindringliche Fragen auf, die niemand stellen möchte. Wenn die Leser nach Abschluss des Buches weiterhin über diese Fragen nachdenken, habe ich mein Ziel erreicht.

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