01. Sep 2022

»Familie besteht aus Liebe, nicht aus Konvention« – Candice Carty-Williams über ihren neuen Roman

Ihr Debütroman »Queenie« war ein Sensationserfolg, für den sie als erste Schwarze Autorin bei den »British Book Awards« ausgezeichnet wurde. Nun erscheint der zweite Roman von Candice Carty-Williams, der nicht minder sensationell ist. »People Person« ist ein absolut gegenwärtiger Roman über Familie und wie sie uns prägt. Im Interview erzählt die Autorin von der Herausforderung, den zweiten Roman zu schreiben, und von Humor als Lebenshaltung. Welche Musik sie beim Schreiben inspiriert hat, könnt ihr in einer exklusiven Playlist nachhören.

Liebe Candice, Dein erster Roman »Queenie« war ein großer Erfolg. Wie war es für Dich, nach diesem starken Debüt ein zweites Buch zu schreiben?

Es war auf jeden Fall eine Herausforderung. Tatsächlich habe ich zuvor eine andere Version von »People Person« geschrieben als die, die nun veröffentlicht wurde. Aber während ich jene Version schrieb und überarbeitete, kamen mir so viele Gedanken dazu, was andere Menschen von meiner schriftstellerischen Arbeit nach »Queenie« erwarten würden. Und irgendwann hatte ich das Gefühl, dass diese Version mir selbst und dem, was ich sagen wollte, nicht mehr entsprach. Erst als ich diese Fassung verwarf und neue Figuren und Handlungsstränge entwickelte, die zu mir passten, fühlte ich mich wohl mit dem, was ich schrieb.

People Person
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Dein neues Buch »People Person« handelt von fünf Halbgeschwistern, die denselben Vater haben, sich aber zu Beginn kaum kennen. Inwiefern fordert der Roman übliche Vorstellungen von Familie heraus?

Ich bin mit der Vorstellung aufgewachsen, dass die Kleinfamilie die richtige Art von Familie ist. Mutter, Vater und Kinder. Aber ich wuchs selbst in einer Familie auf, die diesem Typus nicht entsprach – mit einer alleinerziehenden Mutter –, und begann, die Auffassung, dass meine Familie falsch sei, zu hinterfragen. Erst mit den Jahren verstand ich wirklich, dass Familienstrukturen aus Liebe und nicht aus Konventionen bestehen.

 

Cyril, der Vater im Roman, behandelt all seine Kinder mit demselben Maß an Indifferenz und hat keinen Liebling. Wie war es für Dich beim Schreiben: Hattest Du einen Favoriten unter den fünf Halbgeschwistern?

Ich mag alle Geschwister aus unterschiedlichen Gründen; Dimple nervt mich irgendwie, aber ich finde sie witzig. Ich mag es, dass sie sich von ihren Gefühlen und nicht von ihrem Verstand leiten lässt (was ich auch bei mir selbst erkenne). Nikisha bewundere ich dafür, dass sie immer in der Lage ist, pragmatisch zu handeln, und dass sie die Elternrolle für ihre Geschwister übernimmt, einfach weil sie die Älteste ist. Danny ist mir von den Geschwistern am liebsten; vor allem, weil er so nett ist! Er ist ein liebevoller Mensch und sieht das Beste in den Menschen, auch wenn diese nicht das Beste in ihm sehen, und das finde ich eine sehr schöne Eigenschaft. Ich finde auch Lizzie toll, die im besten Fall ... bissig ist. Da ihre Mutter Nigerianerin ist, ist sie kulturell ganz anders erzogen worden als die anderen Kinder von Cyril, sodass es für sie ein Lernprozess ist, einen anderen kulturellen Hintergrund als ihre Geschwister zu haben, und überhaupt Geschwister zu haben. Und zu guter Letzt: Prynce. Ich finde es großartig, dass er noch so viel von seinem Leben vor sich hat und jeden Tag genau so lebt, wie er es möchte. Ich glaube, der Grund, warum ich alle Kinder von Cyril liebe, ist, dass sie es auch ohne ihn in ihrem Leben geschafft haben.

 

Das Konzept »People Person« zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman. Aber es nimmt auch unterschiedliche Bedeutungen an. Welche Bedeutung hat es für Dich?

Für mich hat der Begriff zwei Bedeutungen. Die meisten Menschen, die ich kenne und die sich als solche bezeichnen, sind gesellig, aufgeschlossen, kontaktfreudig und laut (wie Cyril Pennington). Ich liebe diese Art von Menschen. Die zweite Bedeutung ist eine Person, die Menschen so sehr liebt, dass sie sie genau beobachtet, um sich um sie kümmern zu können. Dimple will so verzweifelt ein Mensch sein wie ihr Vater, dass sie nicht merkt, dass die Liebe, die sie für die Menschen um sie herum empfindet, mehr bedeutet, als nur unterhaltsam und gesellig zu sein.

 

Was im Buch sehr präsent ist, ist die harte Realität für Schwarze Menschen, die in Großbritannien aufwachsen und leben. Gleichzeitig lebt der Roman von seinem besonderen Humor. Wie bringst Du diese Bandbreite an Themen und Emotionen in Einklang?

Als ich »Queenie« schrieb, war mir bewusst, dass ich einige schwere und schockierende Dinge thematisierte, von denen ich wusste, dass sie noch nie zuvor aufgeschrieben worden waren; aber ich wusste auch, dass ich den Leuten es nicht auf die Nase binden wollte. Mir wurde immer beigebracht, dass man weinen muss, wenn man nicht lacht, und das hat sich auch in meinem Schreiben niedergeschlagen. Ich denke, dass ein humorvoller Umgang mit meinem eigenen Trauma, auch wenn es wahrscheinlich nicht hilfreich ist, der Grund dafür ist, dass ich noch nicht völlig zusammengebrochen bin (ich scherze natürlich).

 

Deine Bücher leben von den starken Dialogen. Wo findest Du Inspiration dafür?

Ich höre den Menschen eher zu, als dass ich rede! Das ist die einzige wirkliche Erklärung, die ich geben kann.

 

Welche Songs haben Candice Carty-Williams beim Schreiben inspiriert? Über den Link unten geht's zur exklusiven Playlist zum Buch.

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