»Diese sagenhafte Natur... Und dann das Dunkle und Böse, das es in allen Gesellschaften gibt, auch hier«

Die Bände 2 bis 7 erscheinen am 14. Mai 2025.
Stimmt es, dass Kajsa Corens Fälle auf wahren Begebenheiten in Norwegen beruhen, die in der Regel mit Kinder- und Frauenrechten zu tun haben und über die du im Fernsehen berichtet hast?
Die Inspiration für all meine Krimis beziehe ich aus wahren Geschichten über Menschen, bestimmte Gruppen, Vorfälle, soziale Fragen und Themen, zu denen ich viele Jahre als Fernsehjournalistin gearbeitet habe. In gewisser Weise bilden meine Bücher die Lage und Entwicklung unserer Gesellschaft ab. Viele der Themen – Altenpflege, #MeToo, sexueller Missbrauch in religiösen Gemeinschaften und die Behandlung von Patient:innen in psychiatrischen Einrichtungen – sind traurigerweise auch in vielen anderen Ländern ein Problem.

Die Belange und Rechte von Frauen liegen dir sehr am Herzen. Wie nimmst du den Kampf um Gleichberechtigung wahr und den damit einhergehenden Backlash, der momentan weltweit von rechtsgerichteten Parteien ausgeht?
Ich habe 40 Jahre als Journalistin gearbeitet. Dabei musste ich so oft den Mund halten, wenn meine männlichen Kollegen respektlos über Frauen geredet haben. Außerdem hatten Männer die besseren Karrierechancen. Dank #MeToo hat sich all das zum Besseren gewandt. Meine Töchter müssen sich nicht mehr mit den Hürden meiner Generation herumschlagen. Es ist beängstigend, zu sehen, wie viele Politiker in der Welt immer noch nicht verstanden haben, dass es nicht nur um Frauenrechte geht, sondern um Menschenrechte. Gleichzeitig muss ich sagen, dass wir in Norwegen großes Glück haben, denn in weiten Teilen herrscht hier bereits Gleichheit. Wir haben soziale Rechte, die es Frauen ermöglichen, die Leben zu führen, die sie führen möchten.
Deine wunderbaren Bücher sind mittlerweile in elf Ländern und Sprachen erschienen. Nehmen deine Leser:innen aus verschiedenen Gegenden der Welt sie unterschiedlich wahr? Stellen sie z. B. Fragen bei Lesungen oder per Mail, an denen zu erkennen ist, wie stark die jeweilige Kultur ihre Weltsicht prägt?
Meiner Erfahrung nach stellen meine Leser:innen schnell eine Beziehung zu den Themen her, über die ich schreibe, und das unabhängig von Ländergrenzen, weil es universelle Themen sind. Dementsprechend äußern sie sich auch ähnlich dazu.
Du bist eine erfahrene und vielseitige Schriftstellerin: journalistisches Schreiben, Spannung und historische Romane, mit allem bist du erfolgreich. Wie beeinflussen sich diese verschiedenen Genres und die unterschiedlichen Ansätze, eine Geschichte zu erzählen, gegenseitig? Denkst du z. B. beim Schreiben eines Krimis schon daran, wie dein nächster historischer Roman aussehen wird? Ist jeder Fall, den du journalistisch recherchierst, ein potenzieller Krimi?
Alles, was ich erlebe, als Journalistin oder als Privatperson, kann Teil eines Kriminalromans werden! Ich finde überall Inspiration. Das Verfassen historischer Romane unterscheidet sich stark davon. Es kann Jahre dauern, bis ich mit meiner Recherchearbeit so weit bin, dass ich mit dem Schreibprozess beginnen kann. Hierbei bin ich auf der Suche nach bisher unerzählten Geschichten, meist aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, wobei ich mich auf die Schicksale von Frauen konzentriere. Während ich also darüber nachforsche, schreibe ich zwischendurch meine Kriminalfälle. Die sind in der Gegenwart angesiedelt, was die Recherche deutlich einfacher macht.
Scandi-Crime ist ein beliebtes Genre, fast schon eine eigene Marke. Wie blickst du auf die Wahrnehmung skandinavischer Literatur?
Gern wird es auch »Nordic Noir« genannt. Ich glaube, dass die Faszination von dem angesprochenen Kontrast herrührt: das unbeschwerte Leben der Wohlstandsgesellschaft in dieser sagenhaften Natur mit ihren Bergen und Fjorden und der Mitternachtssonne – und dann das Dunkle und Böse, das es in allen Gesellschaften gibt, auch hier.

Welche Autor:innen haben dich am meisten inspiriert? Hat sich das über die Jahre hinweg verändert, oder gibt es auch feste Größen, die dich seit deiner Kindheit begleiten?
Ich habe mit Krimis für Kinder angefangen und auch danach immer viele Krimis gelesen. Tatsächlich habe ich lange versucht, keine Spannungsromane zu schreiben, weil es mir so schwierig vorkam. Viele meiner Kolleg:innen inspirieren mich, aber für mein literarisches Erwachen hat »Kristin Lavrandsdatter« der norwegischen Autorin und Nobelpreisträgerin Sigrid Undset gesorgt. Es wurde auch ins Deutsche übersetzt (lieferbar unter dem Titel »Kristin Lavranstochter « in drei Bänden beim Kröner Verlag, übersetzt von Gabriele Haefs; Anm. des Verlags).
