Morden im Norden: Katharina Peters über ihre Ostsee-Krimis

Im Interview spricht die Autorin über das Schreiben ihrer Krimi-Reihen, ihre Ermittlerin Romy Beccare, und ihre Faszination für Rügen.
Die tote Polizistin von Rügen
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Im Kreidemuseum in Gummanz wird die Leiche der ehemaligen Polizistin Julia Schorrer entdeckt. Vor zwölf Jahren tauchte sie unter – gegen sie und drei Kollegen wurde wegen Korruption ermittelt. Zwei davon waren damals ebenfalls ermordet aufgefunden worden. Ein hochbrisanter Fall für Hauptkommissarin Romy Beccare! Noch dazu, weil ihr Mann Jan Riechter damals ein Verhältnis mit Julia Schorrer hatte. Dann tauchen Fotos auf, die belegen sollen, dass Jan und die Tote sich in Wismar kürzlich noch getroffen haben.
Bestsellerautorin Katharina Peters fährt gern an die Ostsee, um für ihre Krimis zu recherchieren, zu schreiben – und gelegentlich auch zur Entspannung. Von ihrer Ostsee-Expertise zeugen auch ihre Heldinnen, die von Rügen bis Bornholm die spannendsten Fälle mit unvorhersehbaren Wendungen recherchieren. Sie sind psychologisch komplexe Charaktere mit Ecken und Kanten, die sich in ihrer Arbeit von ihrem untrüglichen Gespür und guter Menschenkenntnis leiten lassen. Wir haben die Autorin zu ihrer Rügen-Reihe um Ermittlerin Romy Beccare befragt.
»Mir steht die ganze Palette an menschlichen Abgründen, Bösartigkeiten, Schicksalen zur Verfügung. Helden werden geboren oder gehen unter. Verlierer entpuppen sich als kreative Problemlöser. Nichts ist, wie es scheint, schwarz und weiß ist nur auf den ersten Blick deutlich zu unterscheiden, die zigfachen Schattierungen bestimmen das Bild. Alles ist möglich, so lange die Suche der Ermittler spannend bleibt.«
Sie haben Germanistik und Kunstgeschichte studiert. Wie kamen Sie zum Schreiben?
Geschichten haben mich schon immer fasziniert. Ich habe schon als Kind viel geschrieben – Briefe, Tagebuch, später Gedichte und Geschichten. Es war meine Art, mit dem Leben zurechtzukommen und es kreativ zu bewältigen.
Wie wählen Sie Ihre Themen aus?
Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie mich auswählen. Mich inspiriert der schnöde Alltag ebenso wie die große Politik. Ich greife Motive auf, wo immer sie mir begegnen – in Gesprächen, beim Fernsehen, Lesen, Träumen.
Wie viel beruht da auf Tatsachenberichten und wie viel entstammt Ihrer Phantasie?
Meine Fälle entspringen der Phantasie, aber die nährt sich natürlich an allem, was mich umgibt und womit ich mich beschäftige. Ein Thriller, den ich gesehen oder gelesen habe, Nachrichtensendungen oder Dokumentationen der unterschiedlichsten Art beeinflussen ganz sicher meine Ideenfindung.
Ihre Fälle wirken sehr realistisch. Wo holen Sie sich Anregungen, um die Fälle realistisch darzustellen?
Ich beschreibe die Ereignisse aus Sicht einer Beobachterin, die sich mitten in der Szene befindet – einer realistischen Szene, das heißt für mich: Was passiert, ist vorstellbar, möglich, nachvollziehbar, zumindest für sehr viele Menschen der heutigen Zeit. Dabei bleibe ich keineswegs objektiv, sondern bin verhaftet mit der Perspektive, aus der das Geschehen in dem jeweiligen Kapitel oder Abschnitt erzählt wird.
Sehen Sie den Krimi auch als Mittel, um über gesellschaftliche Themen zu schreiben?
Unbedingt. Gesellschaftliche und politische Themen spielen eine wichtige Rolle, da meine Figuren immer in ihrem Umfeld und den Zeitströmungen verhaftet sind. Dabei bleibt der Fall ein Kriminalfall für mich, aber in der Erforschung des Motivs, der Lebensumstände und Einflüsse verdeutliche ich Zusammenhänge und Hintergründe.
Wie gehen Sie bei der Recherche vor? Recherchieren Sie auch vor Ort?
Die Hintergründe zu Politik und Geschichte sowie rechtsmedizinische Grundlagen oder andere Sachverhalte recherchiere ich zu einem wesentlichen Teil im Internet. Wichtige Orte suche ich in der Regel selbst auf – die atmosphärischen Besonderheiten sind überaus wichtig oder sogar: entscheidend.

»Rügen ist ein Ort zum Träumen und Erforschen – ein Sehnsuchtsort, der vielschichtige Historie und komplexe Gegenwart zugleich bietet.«
Warum haben Sie ausgerechnet Rügen als Schauplatz für Ihre Ostsee-Krimis gewählt? Welchen Bezug haben Sie zu der Region?
Weil die Insel perfekt ist. Rügen ist ein Ort zum Träumen und Erforschen – ein Sehnsuchtsort, der vielschichtige Historie und komplexe Gegenwart zugleich bietet. Der Tourismus ist für mich ein nebensächlicher Aspekt – die »normalen« Menschen stehen im Mittelpunkt. Ich bin regelmäßig und so oft wie möglich auf Rügen, nicht nur um zu recherchieren, und kenne die Schauplätze meiner Fälle. Ich liebe die Insel und die Ostsee, seit ich zum ersten Mal dort war. Mein Lieblingsort ist der Nationalpark Jasmund mit seinem Blick über die Steilklippen und die weite vielfarbige See sowie das Mönchgut im Südosten von Rügen, wo man selbst in der Hauptferiensaison stille Orte voller Frieden entdeckt.
Wie entstand die Figur der Ermittlerin Romy Beccare?
Romy sollte keine Rüganerin sein, sondern die Neue, eine Ermittlerin mit anderen Wurzeln, aber einer offensichtlichen Begeisterung für die Insel. In diesem Punkt entspricht sie mir und macht es mir leichter, Rügen mit ihren Augen zu erfahren, Besonderheiten zu beschreiben oder sich auch mal an ihnen zu stören.
Wodurch zeichnet sich Romy Beccare aus? Was schätzen Sie an Ihr, und hat sie viel mit Ihnen gemeinsam?
Romy ist zielstrebig und hartnäckig; sie ruht nicht eher, bis sie die Hintergründe einer Tat nachvollziehen kann und verlässt sich auch mal auf ihr Bauchgefühl. Ich schätze ihre Entschlossenheit. Sie ist manchmal ziemlich ungeduldig und aufbrausend, sie lässt sich auch mal von persönlichen Gefühlen beeinflussen, und sie kann sehr wütend werden. Hier mag es die eine oder andere Ähnlichkeit geben …
Im neuesten Rügen-Krimi »Kreidemord« stößt Romy Beccare an persönliche Grenzen: Das Mordopfer hatte früher ein Verhältnis mit Romys jetzigem Mann, und neu aufgetauchte Fotos legen nahe, dass die beiden – entgegen Jans Beteuerungen – auch bis vor Kurzem noch in Kontakt standen. Was hat Sie an dieser Figurendynamik und am Thema Vertrauen gereizt, und wie haben Sie sich dem genähert?
Romy und Jan treten ja in der Reihe durchaus als Idealpaar auf. Selbst wenn es beruflich hoch hergeht und sie nicht immer einer Meinung sind, stemmen sie die Herausforderung meistens harmonisch und gemeinsam. Aber nun steht einiges auf dem Spiel. Und mich hat die Frage bewegt, wie es den beiden gelingt, sich gegen eine ebenso bösartige wie fatal authentisch wirkende Intrige zu wehren und an ihre Beziehung zu glauben, einander die Wahrheit zu sagen und zugleich doch hier und da eigenständige Entscheidungen zu treffen. Es wackelt und knistert, und beide wachsen über sich hinaus – über Zweifel und Ängste hinweg, die nicht zu leugnen sind, vertrauen sie einander. Das Ergebnis macht Mut, finde ich.