25. Juli 2022

»Zukunft denken«: eine Bedienungsanleitung für die Zukunft von Big History-Begründer David Christian

David Christian, Zukunft denken, Cover
Der Planet steht an seinem Wendepunkt. Gerade deshalb ist es wichtig, aus der Vergangenheit für die Zukunft zu lernen. Big History-Begründer David Christian hat mit »Zukunft denken« -übersetzt von Hainer Kober- eine Art Bedienungsanleitung für die Zukunft geschrieben, gespickt mit Erkenntnissen aus Biologie, Geologie und Astronomie.

»Big History«, das ist die Disziplin, die die Geschichte von »allem«, erzählen will, vom Urknall bis zum Anthropozän, und zwar wirklich als Geschichte. Der 1946 in Australien geborene David Christian ist der Gründer dieser großräumigen Naturgeschichtswissenschaft und begann als Historiker, nicht als Naturwissenschaftler. Doch inzwischen beherrscht er deren Disziplinen so gut, dass er den essayistischen Zugriff auf »alles« wagen kann.


 

»David Christian bereitet uns auf die großen Herausforderungen vor, vor denen wir als Menschheit stehen« (Bill Gates)

 

Bill Gates fand Gefallen an dieser Übersichtlichkeit und ließ sich die Verbreitung des Wissensagglomerats viel Geld kosten. Es gibt Kurse und Vorträge im Netz davon, ein Programm für Schulen und Universitäten. In kürzester Fassung hat Christian eine »Big History in 18 Minuten« auf einer Ted-Konferenz abgeliefert. Das Video dürfte das Geschichtsbewusstsein der globalen Nerd-Klasse mehr geprägt haben als ganze Bibliotheken.

 

In seinem neuen Buch zeigt David Christian nun, dass das Nachdenken über Vergangenheit und Zukunft so nah beieinander liegen wie siamesische Zwillinge; denn obwohl die Zukunft nicht erkennbar ist, können wir uns nur durch das Studium der Vergangenheit auf sie vorbereiten. Im Folgenden kommt der Autor selbst zu Wort und erläutert, wie uns der Blick auf das Vergangene Entscheidendes über die Zukunft zu lehren vermag. 

 

Auszug aus »Big History - Die Geschichte der Zukunft«

Öffnen Sie eine knarzende Tür in einem verwunschenen Haus, und Ihnen werden kalte Schauer den Rücken hinunterlaufen. Alles Mögliche könnte erscheinen. In jedem Augenblick unseres Lebens öffnen wir Türen in die Zukunft. Was verbirgt sich hinter ihnen? Wie können wir uns auf das Unbekannte vorbereiten? Schon der Apostel Paulus schrieb: »Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Bild.« In diesem Buch geht es um das verborgene Gesicht der Zeit, um die Teile, die im Dunkeln zu liegen scheinen, weil wir sie noch nicht gesehen haben. Es geht um das, was an dem seltsamen Ort auf uns lauert, den wir »die Zukunft« nennen – und darum, wie wir versuchen, es uns vorzustellen, uns darauf vorzubereiten und es zu bewältigen.

Das Bemühen, die Zukunft zu verstehen, kann einem das Gefühl geben, ins Leere zu fassen. Doch so ungreifbar sie auch erscheint, die Zukunft hat nachhaltigen Einfluss auf unser Denken, Fühlen und Tun. Wie viel Sorge und Mühe, Hoffnung und Kreativität widmen wir der Zukunft! Es könnte sogar sein, dass sich der größte Teil unseres Denkens mit möglichen Zukünften befasst. Meist reagieren wir automatisch auf sie. Das ist unser alltägliches Zukunftsdenken. Es ist vertraut und trivial. Gesteuert wird es von biologischen Prozessen, neurologischen Vorgängen und Algorithmen, die uns intuitiv vorkommen, weil sie meist unterhalb der Bewusstseinsschwelle stattfinden. Hier handelt es sich um das Zukunftsdenken, das wir praktizieren, wenn wir eine Straße überqueren und überlegen, ob uns der heranbrausende Sattelchlepper wohl erwischt. Dem Geheimnis der Zukunft begegnen wir erst dann wirklich, wenn wir neue Richtungen einschlagen, wenn ein Kind geboren wird, wenn wir uns einer plötzlichen Krise gegenüberehen, wenn wir in ein anderes Land ziehen oder wenn wir versuchen, uns die Zukunft des Planeten Erde vorzustellen. Das ist bewusstes Zukunftsdenken. Sobald wir aufmerksam und eingehend über die Zukunft nachdenken, wird uns rasch klar, wie sonderbar sie ist.

Im vorliegenden Buch werden wir uns damit beschäftigen, wie Philosophen, Wissenschaftler und Theologen über die Zukunft gedacht haben. Wir werden uns anschauen, wie sich andere Lebewesen – von Bakterien über Biber bis zu Baobabs – mit dem gleichen tiefen Geheimnis auseinandersetzen, indem sie eine ungeheuer komplexe biochemische und neurologische Maschinerie benutzen. Und wir werden uns mit der Frage beschäftigen, was unsere eigene Spezies von anderen unterscheidet, wenn sie kollektiv und bewusst über die Zukunft nachdenkt und versucht, auf sie einzuwirken. Zum Schluss geht es um einige der heute denkbaren Zukünfte in den nächsten Jahrzehnten, Jahrtausenden und Jahrmilliarden. Zum Schluss stellen wir einige Vermutungen über das Ende der Zeit an.

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