Fiese Viecher und flegelhafte Flashmob-Pflanzen

Ein Zen-Garten ist kein Zen-Garten. So viel ist mal klar.
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Wenn ich im Fernsehen japanische Mönche sehe, wie sie mit ihren hölzernen Rechen bedächtig über den Sand fahren, um Kreisel und Kringel um irgendwelche Steine zu harken, muss ich lachen. Das ist kein Buddhismus. Das ist ein Witz.
Wenn Sie dagegen blaue Traubenhyazinthen im Kleingarten haben und diese überall und aus der kleinsten Ritze hervorschießen, und zwar sogar dort, wo Sie gestern alle ausgegraben zu haben meinen, und Sie trotzdem einfach weiter Hunderte und Aberhunderte kleine, sehr kleine, fast schon nicht mehr zu erkennende Traubenhyazinthenknöllchen mit einer infantilen Schippe ausbuddeln, obwohl Ihre Knie in der ungewohnten Hocke schmerzen und Ihre Hände rissig sind wie ein ausgetrockneter Schlammtümpel im Okavango-Delta ...
Dann sind Sie Buddha! Der Buddel-Buddha!
Weil Sie, ungerührt von der Vergeblichkeit Ihres Tuns, weiterbuddeln, auch wenn sofort wieder neue Traubenhyazinthen aus den freigekratzten Ritzen hervorschießen, während Hunderte von Ihrem Schweiß angelockte Gnitzen sich in Ihre Unterarme verbeißen, um wahre Pestpusteln auf der Haut zu hinterlassen. Weil Sie »stabil«, wie die jungen Menschen heute sagen, das Bild vom Garten, das Ihnen vorschwebt, in die lebende Erde graben, obwohl sich plötzlich Dutzende Junikäfer, diese komplett irren, fliegenden Hartschalenkoffer, auf Sie stürzen, um sich in Ihren Haaren zu verfangen, oder noch besser in Ihr T-Shirt oder in Ihre Hose zu rutschen, um Sie zu einem wilden Veitstanz zu veranlassen, in dessen Folge Sie sich unter den verstörten Blicken Ihrer Gartennachbarn fast ganz entkleiden. Weil Sie einfach weitermachen, was immer die Natur auch an Belästigung durch fiese Viecher und flegelhafte Flashmob-Pflanzen gegen Sie aufbietet. Wohl wissend, dass das schöne Bild vom Garten schon in dem Moment vergeht, in dem Sie es das erste Mal genießen. Im Vergleich dazu sind die nur zum Fortblasen erschaffenen Sand-Mandalas der tibetischen Lamas eine wahrhaft dauerhafte Sache.
Und um den Buddel-Buddhismus im Zen-Kleingarten noch auf die Spitze zu treiben, wird die Natur immer lebendiger, je schöner das Klima wird. Alte Gartenfreunde berichten mir, wie sie zum Teil Tage und Wochen Freude an ihrem Garten hatten, wo heute alles in Stundenfrist neu bewuchert wird.
»Das Grünzeug war gemächlich früher«, sagte mir mal Opi Powileit, »heute wächst alles, als gäbe es kein Morgen!«
Schuld daran ist nicht nur die Treibhausluft, sondern auch die Vermehrung besonders vermehrungsfreudiger Arten aus aller Herren Länder, die wir uns in diesem Buch einmal besonders ansehen wollen. Nehmen Sie die nun folgenden Miniaturen und Herzensergüsse als eine Art Gartenmeditation, in der Sie in heiterer und gelöster Stimmung die pflanzlichen und tierischen Dämonen und Widersacher der gärtnerischen Praxis anschauen, anstatt sich in sinnlose Wut und Verzweiflung zu stürzen, weil Ihnen schon wieder alles weggefressen und überwuchert wurde. Lesen Sie es zu bequemer Stunde als Trostbuch, wenn Ihnen da draußen mal wieder alles über den Kopf wächst.
Ihr kleiner Gartenversager Stefan Schwarz
Blick ins Buch: die bissig-charmanten Illustrationen von Katharina Greve



















