»Ich versuche eine Art Dazwischen aufzuspüren, das sich zwischen Lachen und Weinen bewegt.«

Dein Buch spielt in einem All-Inclusive-Resort, einem Ort künstlicher Perfektion. Was hat Dich bewogen, ausgerechnet dort einen verwesenden Wal stranden zu lassen?
Ich interessiere mich sehr für das Konzept des »Nicht-Ortes«, wie ihn der französische Soziologe Marc Augé beschreibt. Er spricht dabei von den anonymen und austauschbaren Räumen, die man oft nur durchläuft und höchstens mit Konsum verbindet. Denken wir zum Beispiel an Bahnhöfe, Supermärkte, Autobahnraststätten ... und natürlich an All-Inclusive-Resorts.
Die Wahl eines tropischen All-Inclusive-Hotels als »literarischer Ort« mag auf den ersten Blick ein Schmunzeln hervorrufen. Und doch wirkt dieser Mikrokosmos wie ein reiches Konzentrat, um unsere gesellschaftlichen Schieflagen zu beleuchten. Auch die Tatsache, dass es sich um ein geschlossenes »Huis Clos« handelt, erwies sich als eine inspirierende Beschränkung für das Schreiben.

Dein Roman zeigt Menschen aus sehr unterschiedlichen sozialen Schichten. Welche Vorteile bietet diese Konstellation für das Geschichtenerzählen?
Ein weiterer Aspekt des All-Inclusive-Urlaubs ist das Nebeneinander von wohlhabenden Touristen und dem einheimischen Personal, das oftmals Hungerlöhne erhält. Der Ort erzeugt also eine künstliche Nähe zwischen Menschen, deren Lebenswelten eigentlich keine Schnittstellen haben. Das Klassengefälle ist nicht mehr zu übersehen. In diesem Spannungsfeld entsteht eine Scharade, die alle spielen – reich wie arm – um die Illusion des Paradieses aufrechtzuerhalten. Gerade darin eröffnete sich mir ein vielfältiger Spielraum. Diese Machtdynamik zu inszenieren – und sie zeitweise sogar umzukehren – war ebenfalls vergnüglich.

Während der Wal zum Himmel stinkt, versuchen alle, den Schein zu wahren. Was fasziniert Dich an menschlichen Vermeidungsstrategien?
Der Mensch ist das Tier der Verleugnung par excellence. In dieser Hinsicht haben wir mit dem Strauß viel mehr gemeinsam als mit Primaten. Im Großen wie im Kleinen, in unserem persönlichen Leben und als Gesellschaft beharren wir oft darauf, den Kopf in den Sand zu stecken und den Schein zu wahren, auch wenn wir geradewegs gegen die Wand fahren. Als psychologische Reaktion ist Verleugnung ein kurzfristiger Überlebensmechanismus. Längerfristig kann sie jedoch zu unserem Untergang führen, wenn wir nicht endlich die Augen öffnen und handeln.
»Ich gehe an diesem außerirdischen Wesen entlang, lasse meine Finger sachte darüber gleiten. Sein riesiges, halboffenes Auge ist von dicken Fettringen umgeben – traurig und glasig sieht es mich an. Was wohl seine letzten Gedanken waren? Vielleicht war es etwas Blödes wie Mist, ›wie schwimme ich rückwärts?‹«

»Der Duft des Wals« steckt voller herrlich skurriler Momente, und doch geht es im Kern um ein sehr ernstes Thema. Wie gehst Du mit dieser Balance zwischen Komik und Tragik um?
Für mich ist Humor ein Weg, der Absurdität der Welt zu begegnen. Einer Welt, die immer verrückter und beängstigender wird, in der die Erwachsenen den Raum verlassen zu haben scheinen. Ich versuche eine Art Dazwischen aufzuspüren, ein leichtes Unwohlsein, das sich zwischen Lachen und Weinen bewegt. Humor nutze ich dabei wie ein Sprungbrett, um ernste Themen anzusprechen – ohne erhobenen Zeigefinger.
Mit welcher deiner Figuren würdest Du am liebsten in den Urlaub fahren?
Céleste, natürlich. Sie ist eine gute Zuhörerin und schätzt einen guten Margarita.