»Die Sprache ist wie ein Pfeil«: Bestsellerautorin Han Kang über ihren Roman »Griechischstunden«
Ihr neuester Roman »Griechischstunden« erforscht das Thema Sprache auf einzigartige Weise. Können Sie sagen, inwiefern die Auseinandersetzung der Hauptfigur mit Worten Ihre eigene komplexe Beziehung zur Sprache widerspiegelt?
Vor »Griechischstunden« schrieb ich meinen vierten Roman, dessen Fertigstellung mehrere Jahre dauerte. In diesen Zeitraum fielen neun Monate Pause. Es war etwas anderes als eine Schreibblockade. Ich konnte es kaum mehr ertragen, zu lesen oder zu schreiben, mir nur noch Dokumentarfilme ansehen. Ich erinnere mich, ich verbrachte die meiste Zeit mit der Lektüre von Büchern über Astrophysik, die mir damals irgendwie viel bedeutete. Nach den neun Monaten konnte ich an dem Buch weiterschreiben und es schließlich zu Ende bringen. Im nächsten Buch wollte ich über diese Erfahrung schreiben. Die Sprache ist wie ein Pfeil, der immer sein Ziel verfehlt. Sie transportiert Gefühle, und wenn die Gefühle brüchig werden, wird auch die Sprache selbst in Fetzen gerissen. Wenn man sich mit der Welt nicht versöhnen kann, ist es schwierig, mit der Sprache umzugehen, die dich mit der Welt verbindet. Sie ist ein so schwieriges Medium, aber eben auch mein einziges Medium. Diese Komplexität brachte mich dazu, mir die weibliche Protagonistin in »Griechischstunden« auszudenken. Ich wollte den Prozess genau verfolgen, wie sie ihre Sprache zurückgewinnt.
Gewalt und ihre Allgegenwärtigkeit sind wiederkehrende Themen in Ihrem Werk. Inwiefern geht »Griechischstunden« anders mit Gewalt um, wenn man bedenkt, dass sie zwar leise, aber dennoch spürbar ist?
Der Mann und die Frau finden im langsamen Tempo des Buches zueinander. Es ist so langsam, dass es sich in manchen Momenten wie eine Ewigkeit anfühlt. Durch diese Langsamkeit wird das Gefühl lebendig. Ich wollte vor allem, dass die taktilen Momente am lebendigsten sind. Zum Beispiel, wenn die eine Figur mit der Fingerspitze Worte auf die Handfläche der anderen schreibt. Ich wollte, dass die Zartheit, die Dunkelheit, das Licht und die Sanftheit der Berührung hervortreten. Die Gewalt liegt unter der Oberfläche dieser vergrößerten Langsamkeit. Oder man kann sagen, sie umgibt die langsame Begegnung der beiden Figuren ganz leise. Die Spannung ist also da.
Sie haben erwähnt, dass Ihr Schreiben tief in der koreanischen Geschichte verwurzelt ist, oft mit Schichten, die für internationale Leser nicht sofort erkennbar sind. Können Sie vielleicht ein Beispiel aus »Griechischstunden« nennen?
Vor kurzem habe ich den Roman noch einmal gelesen und bemerkt, dass es nicht wirklich von einer bestimmten Zeit und einem bestimmten Ort abhängt. Was den kulturellen Hintergrund betrifft, kann ich nur über den Buddhismus sprechen, der im Kern der männlichen Figur existiert. Ich bin nicht religiös, aber ich bin in einer buddhistischen Familie aufgewachsen. Eine der schönsten Erinnerungen an meine Kindheit war das Anzünden von Papierlaternen an Buddhas Geburtstag, so wie die männliche Hauptfigur es auch macht.
Einer der Protagonisten macht besondere Erfahrungen mit Sprache, denn er ist jemand, der sein Leben lang zwischen Deutschland und Korea hin- und hergezogen ist.
Ich habe mir eine männliche Hauptfigur ausgedacht, die genauso sensibel mit Sprache umgeht wie die weibliche Hauptfigur. Ich habe einige Zeit im Ausland verbracht, die nicht sehr lang war, aber ich habe immer wieder Menschen getroffen, die von ihrer Kultur entwurzelt und zugleich in der neuen Kultur entwurzelt waren. Als ich mir die männliche Hauptfigur ausdachte, hatte ich das Gefühl, sein Inneres verstehen zu können, und damit das, was im Zentrum des Romans steht.
Vielen Dank für das Gespräch!