»Literatur ist das Ende des Urteilens.«

Das Buch erscheint am 17. September.
Teil zwei des Interviews erscheint im Oktober.
»Frankreichs größte literarische Sensation.« The New York Times
Der Absturz
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Roman
Die Geschichte von Louis’ Bruder ist die eines ständig scheiternden Träumers: In der Arbeitswelt ohne Aussicht, wünscht er sich ein größeres Leben. Eines, in dem er Kathedralen restauriert, die Welt bereist und die Liebe seines Vaters verdient. Doch nichts davon lässt seine Wirklichkeit zu, er versinkt in Alkohol- und Spielsucht und bleibt ein tragischer Phantast. Dieses Buch ist ein schonungsloses und doch zartes Porträt des Bruders, der in berührenden Szenen immer wieder versucht, dem jüngeren Édouard einen anderen Weg ins Leben zu weisen als den eigenen.

In Ihrem neuen Buch »Der Absturz« geht es um den Verlust Ihres Bruders und um den Versuch, sein Leben nach seinem Tod zu begreifen. Glauben Sie, dass das Schreiben über Ihren Bruder und sein Leben Ihr Bild von ihm verändert hat?
Ja, aber ich habe versucht, mich dagegen zu wehren. Ich hasste meinen Bruder, und als ich anfing, dieses Buch zu schreiben, war es voller Wut, Zorn und Hass.
Es war eine ganz andere Erfahrung, dieses Buch zu schreiben als all meine anderen Bücher. Die Frage war: Wie ist es möglich, jemanden zu verstehen, den ich verabscheue?
Als mein Bruder starb, hatte ich ihn seit 10 Jahren nicht mehr gesehen. Ich wollte ihn nicht mehr sehen. Ich konnte ihn schon als Kind und als Teenager nicht ausstehen, selbst als wir uns noch fast täglich sahen.
Und dann interviewte ich meine Mutter, und die Frau, mit der er zusammenlebte, und seine Schulfreundinnen. Und sie erzählten mir Geschichten, schreckliche Geschichten darüber, wie er gedemütigt wurde, wie sein Vater ihn im Stich ließ, ihn nicht mehr sehen wollte, als er ein Kind war, und wie sehr mein Bruder von meinem Vater gedemütigt wurde. Wie all seine Träume zerplatzten, jedes Mal, wenn er versuchte, etwas zu erreichen.
Und als ich schrieb, gab es plötzlich Tage, an denen ich beim Schreiben weinte, wissen Sie.
Und das wollte ich nicht.
Aber es war stärker als ich.

Es war schwierig, weil ich mich an meinen Hass klammerte und ihn nicht loslassen wollte. Aber je mehr ich schrieb, desto mehr verschwand der Hass und löste sich auf.
Denn Hass ist eine einfache Möglichkeit, auf Fragen zu verzichten, und plötzlich, als er verschwand, musste ich mich mit schmerzhaften Fragen konfrontieren, wie ich es im Buch beschreibe. Vielleicht hätte ich meinem Bruder irgendwann helfen können, und ich habe es nicht getan. Vielleicht hätte ich etwas tun können, was ich nicht getan habe. Vielleicht war auch ich Teil dieser Tragödie, die sein Leben war.
Ich sah, wie sich der Hass auflöste, gegen meinen Willen ihn festzuhalten und ihn zu bewahren. Aber er verschwand.
Also ja, es hat vieles verändert.
Das Interview führte Elisabeth Botros