12. Sep 2023

»Im Schreiben fand ich meine Zuflucht und entdeckte mein kindliches Interesse an der griechischen Mythologie wieder«

Die Geschichte von Psyche und Eros ist zweifellos eine der romantischsten der griechisch-römischen Mythologie, die bis heute zahlreiche Menschen inspiriert. Hier spricht Autorin Luna McNamara über ihr Retelling des Mythos »Psyche und Eros«, übersetzt von Anne-Marie Wachs, über Verlust und unbändige Liebe und über das Schreiben als Zuflucht.

Zum ersten Mal begegnete ich dem Mythos von Eros und Psyche als Kind im Ferienlager. Wir saßen am Feuer, und ein Betreuer erzählte uns die Geschichte von Eros, dem Gott der Liebe (auch bekannt als Amor): wie ein verfluchter Pfeil, der für die sterbliche Prinzessin Psyche bestimmt ist, ihn selbst trifft und er sich in sie verliebt. Gebannt umklammerte ich meine Knie, verfolgte fasziniert, wie die Geschichte sich entfaltete, und die Funken des Feuers stoben zu den Sternen am Nachthimmel hinauf. Ich mag nur sechs oder sieben Jahre alt gewesen sein, aber ich war wie verzaubert. Da war eine mythische Frau, die sich selbst und ihren Geliebten rettete, die in die Unterwelt hinabstieg und es überlebte, um ihre Geschichte fortzuschreiben, eine Frau, die heldenhafte Herausforderungen auf sich nahm und über alle triumphierte. Und letztlich erkämpfen sich Psyche und Eros ein glückliches Ende – etwas so Seltenes, in der Mythologie wie im echten Leben.

Psyche und Eros
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Denn wahre Liebe ist mehr als ein Mythos
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Die Geschichte von Psyche und Eros ist zweifellos eine der romantischsten der griechisch-römischen Mythologie – mehr Märchen als Fabel. Aber als ich älter wurde, begann ich, manches daran zu hinterfragen. Warum lässt sich Psyche so schnell auf die körperlichen Annäherungsversuche ihres Mannes ein, als sie in sein Haus gebracht wird? Warum gibt Eros selbst in der Dunkelheit seine Identität nicht preis, und wie kann er seine schwangere Frau einfach so verlassen, nachdem sie das Licht ins Schlafzimmer gebracht hat?

Doch trotz allem bildet das Herzstück dieses Mythos ein echtes Gefühl, das im Laufe der Zeit zahlreiche Künstler, Bildhauer und Dichter inspiriert hat. Als Psyche ihren Mann verliert, will sie ihn so sehr zurück, dass sie alles riskiert. Eros indes wagt es, sich dem Willen seiner Mutter Aphrodite zu widersetzen, um Psyche zu einer Göttin zu machen. Was könnte das anderes sein als der Beweis wahrer Liebe?

Ich habe diesen Roman größtenteils im Jahr 2020 geschrieben. Wie so viele Menschen erlebte auch ich in dieser Zeit, dass mein Leben in Chaos versank, als die Pandemie die Welt erfasste. Ich verlor meinen Job, beendete eine Beziehung, stand kurz vor einer Zwangsräumung und hatte mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Im Schreiben fand ich meine Zuflucht. Ich entdeckte mein kindliches Interesse an der griechischen Mythologie wieder, fand zurück zum Mythos von Psyche und Eros, und begann über eine junge Frau zu schreiben, die allen Widrigkeiten trotzte, und einen Gott, der sich selbst nicht verstand. Ich schrieb von Liebe und Verlust und darüber, wie man sich in einer Welt voller Pein ein Stückchen Glück erkämpft. Ich schrieb über Götter und Helden und Sterbliche, im Schatten des fernen Schreckgespensts des Trojanischen Krieges.

Ich schuf meine eigene Version von Psyche und stellte mir eine Person vor, die sich nicht vor dem Fremden fürchtet, und zwar nicht, weil sie Gefahren falsch einschätzt, sondern weil sie einfach keine Angst kennt. Was für ein Mensch könnte das sein? Es war klar, dass sie stark sein musste, emotional und körperlich, und hartnäckig genug, um ihre langen Wanderungen und die Herausforderungen auf ihrer Suche nach Eros, nachdem sie getrennt wurden, zu überleben.

Eros erwies sich als viel schwieriger zu fassen, fast so, als wolle er sich in Worte bannen lassen. Das Begehren ist eine aktive, dynamische Kraft, die weniger durch das definiert wird, was sie ist, als vielmehr durch das, was sie ersehnt, und ich fragte mich, ob Eros vielleicht nichts von alldem gewollt hatte – den Fluch, die Anwesenheit Psyches in seinem Haus und all die Komplikationen, die die Liebe in einem unsterblichen Leben mit sich bringt. Ein Liebesgott, der nichts mit der Liebe zu tun haben wollte, was für ein Gedanke!

Vor allem aber wollte ich, dass meine Figuren mehr sind als ihre märchenhafte Kontur. Ich wollte sie als lebendige, atmende Individuen zeichnen, die keine Marionetten ihres Schicksals sind, sondern es selbständig gewählt haben.

Und nachdem ich die ersten Seiten des Buches geschrieben hatte, gab es nichts anderes mehr, woran ich denken konnte. Ich musste diese Geschichte zu Ende bringen.

Als glühender Fan von Madeline Miller musste ich oft an den Dialog zwischen Trigon und Circe am Ende des gleichnamigen Romans denken. Als Circe das Gefühl hat, dass sie diese Welt nicht länger ertragen kann, sagt Trigon zu ihr: »Dann, Kind, erschaffe eine andere.«

Genau das habe ich versucht, in meinem Debütroman zu tun. Ebenso wie Psyche und Eros habe ich mich entschieden, nicht länger auf ein glückliches Ende zu warten – ich habe mein eigenes geschrieben.

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