Weltbestseller-Autorin Kristin Hannah über ihren neuen Roman »Die Frauen jenseits des Flusses«
»Erstaunlich. Fesselnd. Kraftvoll.
Noch nie wurde ein Roman über
den Krieg so sehr zu einer Geschichte
des Herzens.« DELIA OWENS
Wann ist die Idee zu »Die Frauen jenseits des Flusses« entstanden, und was hat Sie dazu veranlasst, das Buch jetzt zu schreiben?
Die Idee entstand – in einer ganz anderen Form – vor über zwanzig Jahren. Nach der Veröffentlichung meines zweiten Romans schlug ich meiner Lektorin einen Roman über die Vietnam-Ära vor. Sie gab mir den klugen Rat, damit zu warten, dieses sensible Thema anzusprechen, da Amerikaner:innen noch nicht bereit seien, sich mit dieser schmerzhaften Zeit auseinanderzusetzen. Also wartete ich. Tatsächlich war dann die Pandemie der Auslöser dafür, das Buch jetzt zu schreiben. Im Lockdown verfolgte ich die Nachrichten und sah, wie gespalten und unübersichtlich die Welt war, und das erinnerte mich an den Vietnamkrieg. Es fühlte sich auf traurige Weise vertraut an, zu sehen, wie sich Pflegepersonal und Ärzt:innen für ihre Mitmenschen aufopferten. Und das war das fehlende Puzzleteil: Mir wurde klar, dass ich den Roman über die Krankenschwestern schreiben müsste, die im Krieg gedient haben.
Warum haben Sie sich entschieden, über die 1970er Jahre und den Vietnamkrieg zu schreiben?
Obwohl ich während des Krieges noch ein Kind war, hat er in mir tiefe Spuren hinterlassen. Als ich zehn Jahre alt war, wurde der Vater meiner besten Freundin angeschossen und als vermisst gemeldet. Damals trugen wir Kriegsgefangenenarmbänder, in die der Name des Soldaten und das Datum seines Verschwindens eingraviert war. Der Gedanke dahinter war, sie erst abzunehmen, wenn der Soldat zurückkehrte. Der Vater meiner Freundin kehrte nie zurück. Das war eine ständige Erinnerung daran, welche Auswirkungen der Krieg auf Familien hat. Ich interessiere mich schon immer für die Kriegsveteran:innen und wie sie behandelt wurden, als sie zurückkamen, daher ist mir die Story, die diesem Roman zugrundeliegt, ein solches Anliegen
In »Die Frauen jenseits des Flusses« schildern Sie den Vietnamkrieg aus der Perspektive von Frauen. Wie unterscheiden sich die Erfahrungen von männlichen und weiblichen Veteran:innen während des Krieges und nach der Rückkehr in die Heimat?
Ich glaube, dass die Erfahrungen von männlichen und weiblichen Veteran:innen des Vietnamkriegs eigentlich sehr ähnlich waren. Leider nahm die amerikanische Bevölkerung keine Trennung zwischen dem Krieg und den daran Teilnehmenden vor, sodass diese bei ihrer Heimkehr wenig Wertschätzung erfuhren. Viele, wenn nicht sogar die meisten, fühlten sich vergessen, ihr Dienst wurde geringgeschätzt. Niemand erhielt die emotionale, psychologische oder sonstige Unterstützung, die nach dem Überstehen des Kriegstraumas nötig gewesen wäre, aber besonders gravierend war es bei den Frauen, die gänzlich übersehen und vergessen wurden.
Die Protagonistin, Frankie, trifft bei ihrer Rückkehr auf ein verändertes Amerika. Inwiefern hat sich das Land in diesen Jahren gewandelt?
Frankie ist ein Kind, beziehungsweise eine junge Frau, der 1950er Jahre, einer Zeit der Konformität und der starren Grenzen für Frauen. Sie zieht Mitte der sechziger Jahre als Einundzwanzigjährige in den Krieg und kehrt in einem Jahr voller einschneidender Umbrüche und großer Kontroversen nach Amerika zurück. Damals hatte sich alles verändert – die Mode, die Musik, die Erwartungen. In vielerlei Hinsicht war es wirklich so, als würde man in eine andere Welt zurückkommen.
»Im besten Fall trage ich dazu bei, Empathie für die Menschen zu entwickeln, die vor mir lebten, für die Opfer, die sie brachten, und für die Art und Weise, wie gewöhnliche Menschen, insbesondere Frauen, den Lauf der Weltgeschichte verändert haben.«
Wie gehen Sie als Autorin historischer Romane mit der Grenze zwischen künstlerischer Freiheit und historischer Genauigkeit um?
Mir ist beim Schreiben sehr wichtig, dass der Roman authentisch ist und eine glaubwürdige Geschichte erzählt. Das bedeutet nicht, dass alle Handlungsstränge genau so geschehen und historisch belegt sind, sondern vielmehr, dass sich die Geschichte, die ich erzähle, im Wesentlichen so zugetragen haben könnte, wie ich sie erzähle. So haben meine Leser:innen die Möglichkeit, ein tiefes Verständnis für die Zeit und andere Lebensrealitäten zu entwickeln, und werden dabei – hoffentlich – noch unterhalten. Im besten Fall trage ich dazu bei, Empathie für die Menschen zu entwickeln, die vor mir lebten, für die Opfer, die sie brachten, und für die Art und Weise, wie gewöhnliche Menschen, insbesondere Frauen, den Lauf der Weltgeschichte verändert haben.
Könnten Sie einen Einblick in Ihren Rechercheprozess für »Die Frauen jenseits des Flusses« geben?
Um ehrlich zu sein, hat mich die Recherche für den Roman eingeschüchtert. Als ich begann zu schreiben, wusste ich, dass viele Menschen, die die geschilderten Ereignisse selbst erlebt haben, das Buch lesen würden. Das war ziemlich beängstigend. Außerdem war es mir ein Anliegen, den Dienst der Krankenschwestern zu würdigen und ihre Courage herauszustellen. Nach meinen Recherchen zum Krieg, den Krankenhäusern und dem Zustand Amerikas damals, fragte ich also Veteran:innen nach ihren persönlichen Erfahrungen. Ihre und die Reaktionen ihrer Familien darauf waren einer der schönsten Aspekte der Romanveröffentlichung. Die zentrale Botschaft des Buches ist, dass Anerkennung und Erinnerung wichtig sind, und diese Botschaft wird von den Veteran:innen wirklich angenommen. Darüber könnte ich nicht glücklicher sein.