Flirrende Hitze, lautlose Alligatoren – und ein kaltblütiger Mord.

Das Buch erscheint am 13. August.
Unsere letzten wilden Tage
Roman
Du bist im Südwesten Englands geboren – was hat dein Interesse an genau diesem Teil des amerikanischen Südens geweckt, in dem »Unsere letzten wilden Tage« spielt, dem mystisch-schönen und ungewöhnlichen Atchafalaya-Becken in Louisiana?
Ich war schon immer fasziniert von diesem Teil der Welt. Ich bin mit Southern Gothic-Romanen aufgewachsen – Carson McCullers, Flannery O’Connor, Harper Lee –, und irgendetwas an der seltsamen Schönheit und der stillen Bedrohung des ländlichen Südens in diesen Büchern hat sich mir tief eingeprägt. Dann habe ich in meinen frühen Zwanzigern ein paar Jahre in Texas gelebt. Das war während der ersten Trump-Regierung, und es war eine sehr komplizierte Zeit für mich als queere Person in einer Kleinstadt, in der sich viele Menschen durch das politische Klima ermutigt fühlten, offen feindselig zu sein. Aber ich habe mich in die Landschaften verliebt. Es war Ost-Texas, also nicht weit (nach amerikanischen Maßstäben) von der Grenze zu Louisiana entfernt, mit viel Sumpfland und einer weitläufigen, wilden Natur. Es ist schwer, da nicht wissen zu wollen, was sich in all diesem unbewohnten Raum verbirgt.

Loyal, die Hauptfigur in »Unsere letzten wilden Tage«, wirkte auf mich vom ersten Moment an authentisch. Sie ist eine im besten Sinne chaotische, widersprüchliche, tiefgründige Frau – verletzlich und kämpferisch zugleich. Wie schreibst du solche Figuren? Entsteht das aus dem Bauch heraus, oder ist das eher eine bewusste Konstruktion? Oder vielleicht beides?
Du hast recht, dass eine vielschichtige, unordentliche Figur immer authentischer wirkt, und ich denke, man muss da ein Gleichgewicht finden – zwischen Fehlern, die eine Figur für die Leser:innen nachvollziehbar machen, und solchen, die sie unsympathisch erscheinen lassen. Ich lasse meine Figuren gerne erst einmal in meinem Kopf leben, bevor ich anfange, sie zu schreiben. Ich verbringe ein wenig Zeit damit, sie kennenzulernen. Das hilft mir immer, dass sie sich für mich echt anfühlen – und hoffentlich überträgt sich dieser Glaube an sie dann auch auf die Leser:innen.

Loyal verliert ihre beste Freundin Cutter durch einen Mord – doch niemand scheint sich wirklich darum zu kümmern, außer ihr selbst. Das ist keine Ausnahmeerscheinung, sondern traurige Normalität: Frauenleben gelten nichts, sie verschwinden, werden ausgelöscht, auch in Erzählungen. Wie war es für dich, dich diesem düsteren Thema literarisch zu nähern? War es auch ein Stück weit befreiend oder therapeutisch, Cutters Geschichte aufzuschreiben?
Mein erstes Buch zu schreiben war auf jeden Fall eine kathartische Erfahrung. Es handelt vom Verschwinden eines Teenagermädchens in den Rocky Mountains, behandelt aber auch, wie ihre Mutter versucht, einer missbräuchlichen Ehe zu entkommen. Es war eine sehr persönliche und sehr wütende Geschichte. Ich fand es produktiv, diese Wut in etwas Kreatives zu lenken, aber letztlich war es auch ziemlich erschöpfend. Bei »Unsere letzten wilden Tage« wollte ich nicht mehr aus der Wut heraus schreiben, deshalb musste ich zu dem, was Cutter in diesem Roman widerfährt, eine gewisse emotionale Distanz einnehmen. Mir ist bewusst, dass Gewalt gegen Frauen ein wiederkehrendes Thema in meinem Schreiben ist. Ich identifiziere mich nicht als Frau, aber ich weiß, dass die Welt mich so sieht. Nichtbinär zu sein hat mich in der Vergangenheit nicht vor sexistischer Gewalt geschützt, und ich glaube, dass sich meine Gefühle dazu in meiner Arbeit widerspiegeln – ob ich das nun beabsichtige oder nicht.