07. Okt. 2022

»Zwischen den Meeren«: Auftakt der großen Saga von Bestsellerautorin Lena Johannson

Vier Frauen, vier Schicksale und ein Kanal, der zwei Meere verbinden soll. »Zwischen den Meeren« bildet den Auftakt der großen Saga von Bestsellerautorin Lena Johannson über das Leben vierer Frauen und ein einzigartiges Bauwerk: den Nord-Ostsee-Kanal. Was die Autorin an der Thematik so fesselt und welche beeindruckende Frau dem Roman zugrunde liegt, verrät sie im Gespräch.

Ihre neue Saga zeigt vier junge Frauen, deren Schicksale von dem Bau eines Jahrhundertprojekts, der Konstruktion der größten künstlichen Wasserstraße der Welt, dem Nord-Ostsee-Kanal, bestimmt werden. Was hat Sie so an dem Thema fasziniert?

Ich habe eine Dokumentation über den Bau des Nord-Ostsee-Kanals gesehen. Vorher hatte ich mir nie Gedanken darüber gemacht, welche Ingenieursleistung dahintersteckt. Schließlich konnte man sich nicht einfach »nur« 100 Kilometer quer durch ein Land buddeln, sondern musste Höhenunterschiede, Hindernisse, ganze Ortschaften berücksichtigen. Und dann waren da die Arbeiter. Obwohl bereits beeindruckende Maschinen eingesetzt wurden, musste vieles in Handarbeit erledigt werden. Tausende Menschen haben Schaufel um Schaufel unfassbar große Erdmassen bewegt!

Zwischen den Meeren
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Vier Frauen und ein Jahrhundertbauwerk, das die Welt verändert
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Dieser Gedanke hat mich so elektrisiert, dass ich tiefer in die Thematik eingetaucht und auf einen Aspekt gestoßen bin, der mich vollends gefesselt hat. Sämtliche Bewohner des Landstrichs zwischen der Elbe im Westen und der Kieler Bucht im Osten waren in irgendeiner Weise von diesem gigantischen Projekt betroffen. Nicht wenige waren gezwungen ihr Land zu verkaufen, weil es auf der Kanallinie lag. Andere verfielen in Goldgräberstimmung, riskierten viel und verloren alles oder wurden reich. Männer und Frauen aus den verschiedensten Ländern, z.B. aus den Niederlanden, dem heutigen Polen und Italien kamen in den Norden, um ihr Glück bei dieser gigantischen Baustelle zu finden. Mir war klar, dass aus diesem Stoff faszinierende Geschichten entstehen können.


 

Wie konnten Sie so tief in die Recherche einsteigen? Was hat Ihnen als Material zur Verfügung gestanden?

Zunächst habe ich mich in die Literatur gestürzt, die es haufenweise gibt, und habe alte Bilder angesehen. Dann habe ich mich mit meinem Mann auf die Reise von Kiel nach Brunsbüttel gemacht, immer am Kanal entlang, versteht sich. Und dann hat der Verein Maritimes Viertel - Kultur am Kanal e.V. eine Vortragsreihe zu verschiedenen Aspekten rund um den Nord-Ostsee-Kanal angeboten. Dafür bin ich einige Male nach Kiel gefahren.

An einem Abend, als es um die Arbeiter ging, hatte ich unfassbares Glück. Merve Giebler, die Urenkelin von Heinrich Hermann Dahlström tauchte auf, dem Mann, der maßgeblich dafür gesorgt hat, dass der Bau realisiert wurde. Sie hatte ein Buch dabei, in dem sie die Tagebuchaufzeichnungen ihrer Großmutter und ihrer Mutter sowie Zeitungsausschnitte und vieles mehr gesammelt und aufbereitet hat. Natürlich musste ich sie ansprechen! Inzwischen habe ich nicht nur ein eigenes Exemplar dieser wunderbaren Sammlung, sondern ich durfte auch einen Wäschekorb voll Material - von Fotos bis Landkarten - sichten, das die Frauen der Familie aufbewahrt und von Generation zu Generation weitergegeben haben. Ein echter Schatz!
 

Beschreiben Sie kurz die vier Frauen, die wir in »Zwischen den Meeren« kennenlernen, liegt eine Frau Ihnen besonders am Herzen?

Zuerst muss ich natürlich Maria, genannt Mimi, Dahlström nennen, die Tochter von Heinrich Hermann. Wenn es nach Seitenzahlen geht, spielt sie die kleinste Rolle, da sie die einzige der vier Frauen ist, die wirklich gelebt hat, kann ich ihr nichts andichten, sondern muss sie nehmen, wie sie war. Dafür habe ich aber eben auch ein genaues Bild von ihr, inklusive wunderbarer Fotos. In dem Material, dass Merve Giebler mir zur Verfügung gestellt hat, waren auch kleine Erzählungen von Mimi, die zwar für meinen Roman keine Bedeutung haben. Aber spätestens damit hatte sie mein Herz erobert.

Die drei fiktiven Figuren mag ich alle auf ihre Art. Justine Thams, Tochter eines Kolonialwarenhändlers, Regina Barz, deren Vater Güter in der Gegend um Rendsburg besitzt, und Sanne Schmidt, deren Ururgroßvater am Schleusenbau des Eiderkanals beteiligt war. Justine hängt am alten Puppentheater ihres Großvaters. Sie würde sich gern kreativ oder künstlerisch verwirklichen, muss aber ihrem Vater im Laden helfen, der zum größten Eisenwarenhandel Schleswig-Holsteins ausgebaut werden soll. Sie ist fleißig und vernünftig, gibt ihre Träume aber nicht auf. Regina hat ihre beiden Brüder verloren. So kommt es, dass die Hoffnung ihres Vaters plötzlich auf ihr ruht, und sie lukrativ heiraten soll. Ich mag an ihr, dass sie einen zuverlässigen Kompass in sich trägt, der ihr sagt, was richtig und falsch ist. Sie wird sich immer für das Richtige entscheiden, wenn es für sie auch so manche Härte bedeutet. Sanne ist ganz anders als sie, sie will mit dem Kopf durch die Wand. Ihr Großvater hat ihr die Unterlagen seines Großvaters gezeigt und erklärt, als sie noch ein kleines Mädchen war. Jetzt ist sie blitzgescheit und interessiert sich nicht nur für technische Entwicklungen, sie versteht auch einiges davon. Sie kann sich nicht damit abfinden, warum sie als Frau nicht an der Planung der Brunsbütteler Schleuse arbeiten darf.
 

Welches war bzw. ist die größte Schwierigkeit, mit der Sie beim Schreiben der Saga zu kämpfen hatten?

Durch die Begegnung mit der Dahlström-Urenkelin hat sich mein Blick auf die Herren Planer und Ingenieure zwar verändert, aber eigentlich wollte ich deren Geschichte am wenigsten erzählen. Viel mehr interessierten mich die Arbeiter, die aus verschiedenen Regionen des Kaiserreichs und eben auch aus anderen Ländern von der Baustelle angelockt worden sind, weil sie ein gesichertes Einkommen versprach. Ich habe Menschen kennengelernt, die mir erzählten, ihre Vorfahren seien damals deswegen nach Schleswig-Holstein gekommen. Das wussten sie nur durch Erzählungen, Details kannten diese Nachkommen nicht. Viele der Arbeiter gingen zurück in die Heimat, einige sind geblieben. Sowohl von den einen als auch von den anderen ist leider wenig geblieben. Es gibt keine Stelle, die Dokumente dieser Menschen zentral sammelt und ihre Schicksale erforscht. Natürlich nicht, die Arbeiter hatten anderes zu tun, als Tagebuch zu schreiben ;-) Wenn sie Briefe in die Heimat geschickt haben, sind diese verloren oder verstreut in der ganzen Welt. Das ist so schade. Dem Alltag in den Baracken und auf der Baustelle wirklich nah zu kommen, ist aus diesem Grund wahnsinnig schwer.

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