Die Geschichte der berühmtesten Puppenmacherin der Welt
Dein neuer Roman handelt von Käthe Kruse, der berühmtesten Puppenmacherin der Welt. Wie bist du auf sie gestoßen, und an welchem Punkt war dir klar, dass du ihre Geschichte erzählen willst?
Ich komme aus einer Familie, in der immer schon viel gehandarbeitet wurde, und das hat sich auch durch mein Leben gezogen. Ich habe vieles ausprobiert, und vor vier Jahren kam ich so zum Puppenmachen. Und da ich mich auch für historische Entwicklungen interessiere, stieß ich auf Käthe Kruse. Als ich mich dann ein wenig eingelesen habe, war ich fasziniert, denn sie verfolgte mit ihren Puppen ganz klar ein Ziel, das bis heute nicht an Aktualität verloren hat – Spielzeug für Kinder erlebbar zu machen, der kindlichen Phantasie Raum zu geben.
Für mich war klar, dass ich Käthes Leben erzählen möchte, als ich las, wie sie sich aus den wirtschaftlich schwachen Verhältnissen als Tochter einer alleinerziehenden Mutter erst zur gefeierten Schauspielerin hocharbeitete, diese Arbeit nach der Geburt ihrer ersten beiden Kinder ruhen lassen musste und wie sie sich dann dem Puppenhandwerk zuwandte. Anfangs eher aus der Not heraus, weil sie in der Aussteigerkolonie auf dem Monte Verità nichts hatte, womit ihre Töchter spielen konnten – dann aber zunehmend, weil sie das Handwerk ihrer Mutter und die eigene Kunst vortrefflich verbinden konnte.
Das Puppennähen hat es nicht geschafft, mich auf Dauer zu begeistern, aber Käthe Kruse hat sich damals in mein Herz geschlichen, und ich wollte unbedingt erzählen, wie modern sie für ihre damalige Zeit war, wie mutig und zielstrebig.
Welche Facetten und welche Widersprüche zeichnen Käthe Kruse aus?
Käthe Kruse war eine unglaublich spannende Persönlichkeit! Direkt nach der Schule hat sie eine Schauspielausbildung begonnen und anschließend recht jung in Berlin debütiert. In ihr war ein großer Lebenshunger, zugleich auch der Wunsch, sich niemals in eine Abhängigkeit zu begeben. Dann aber schlug das Schicksal zu, sie verliebte sich mit gerade mal achtzehn Jahren in den Bildhauer Max Kruse. Kurze Zeit später war sie schwanger von ihm und fand sich in der Situation wieder, die sie immer hatte vermeiden wollen: Sie war abhängig von einem Mann, der sie nicht heiraten wollte. Wie sie sich aus dieser Lage befreit hat, wie sie sich auch aus der ihr zugedachten Rolle als Mutter freistrampelte – das bewundere ich sehr. Käthe hat nie aufgegeben, immer ging sie trotz aller Rückschläge ihren Weg. Sie fand ihre Form, sich künstlerisch auszudrücken. Für mein Empfinden hat sie mit den berühmten Käthe-Kruse-Puppen sehr viel für das kindliche Spiel getan, und sie hat dabei nie ihren künstlerischen Anspruch aus dem Blick verloren. Gut gemachtes Spielzeug kann eben auch eine große Kunst sein.
Inwiefern haben historische Rollenbilder Käthe Kruses Leben beeinflusst, wie hat sie sich davon zu befreien versucht?
Als uneheliche Tochter einer Näherin hatte Käthe es schwer – ihr Weg war im Grunde vorgezeichnet, denn ein Aufstieg war kaum möglich. Das Geld war immer knapp, sie hatte es nur dem Engagement ihrer Mutter zu verdanken, dass sie länger die Schule besuchen konnte. Schon das war nicht selbstverständlich. Frauen sollten sich während der Kaiserzeit vor allem auf das Häusliche beschränken, nicht in Erscheinung treten. Die Kindererziehung als einziges Wirkungsfeld. Dagegen hat sie sich früh aufgelehnt. Als Schauspielerin hatte sie sich rasch einen Namen gemacht und verdiente gut – doch mit der Geburt des ersten Kinds war diese Arbeit schwer vereinbar mit ihrem Wunsch, für ihre Tochter da zu sein.
Käthe war gern Mutter, aber sie versuchte zugleich immer wieder, den Spagat zu schaffen, sich auch in finanzieller Hinsicht um ihre Familie zu kümmern und eine wirtschaftliche Unabhängigkeit zu erlangen. Das ist ja ein Feld, in dem sich bis heute viele Mütter bewegen.
Wie bist du bei deiner Recherche vorgegangen? Gab es etwas, das dich überrascht hat, womit du nicht gerechnet hättest?
Käthe Kruse war für mich ein offenes Buch, denn sie hat schon früh ihre Erinnerungen aufgeschrieben, die in mehreren Versionen vorliegen. Interessanterweise widerspricht sie sich in kleinen Details gelegentlich, was nur zeigt, dass selbst Zeitzeug:innen nicht so zuverlässig sind, wie Historiker:innen es gern hätten. Ausgehend von ihren Erinnerungen habe ich mich immer tiefer in das frühe 20. Jahrhundert gegraben. Ich traf auf die Lebensreformer um Henri Oedenkoven und die Gräsers auf dem Monte Verità, auf die Theaterwelt um Max Reinhardt, auf die Schriftstellerin Gabriele Reuter, mit der Käthe sehr gut befreundet war. Durch ihre Sommeraufenthalte auf Hiddensee war sie auch mit Thomas Mann bekannt. Wer hätte das gedacht?
Am 6. Dezember erscheint der zweite Band »Käthe Kruse und das Glück der Kinder«. Verrätst du uns, worum es gehen wird?
Im zweiten Band geht es um Käthes Werdegang nach 1911 — wie sie eine erste Manufaktur einrichtet und die Kriegsjahre bewältigt, aber auch, wie sie als »weiblicher Geschäftsmann«, wie sie sich selbst bezeichnete, die Geschicke ihres Unternehmens lenkte.
Aus dem Leben und Werk von Käthe Kruse
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