07. Febr. 2023

Das Kaufhaus der Zukunft: Auftakt einer großen Familiensaga über die Kaufhaus-Dynastie »Hertie«

Ein historischer Roman mit Fashion und Flair: »Das Kaufhaus – Zeit der Sehnsucht« ist der Auftakt einer spannenden Familiensaga über die Kaufhaus-Dynastie »Hertie«, fesselnd erzählt von Susanne von Berg alias Andreas Schmidt. Im Interview verrät der Autor, welch kühne Visionen die Unternehmerfamilie Tietz hatte und warum Flora Tietz ihrer Zeit weit voraus war.

Teil zwei und drei der Saga erscheinen jeweils im Mai und im August 2023.

Lieber Andreas Schmidt, in der Kaufhaus-Reihe erleben wir die spannende Entstehungsgeschichte der ersten großen Warenhäuser Deutschlands im späten neunzehnten Jahrhundert. Was hat Sie an diesem Thema fasziniert?

Viele Menschen verbinden etwas mit dem Namen Tietz – oft sind es Kindheitserinnerungen vom Einkauf mit den Eltern in einem der Tietz-Häuser, die wir inzwischen nur noch als »Hertie«, Kaufhof oder eben »Galeria«, wie der Konzern heute heißt, kennen, und die in so gut wie jeder deutschen Stadt präsent waren. Mich faszinierte der Werdegang dieser großen, einst glanzvollen Häuser.

 

Die Erfindung des großen Warenhauses, in dem so ziemlich alles zu haben ist, stellte eine grundlegende Veränderung der Kauferfahrung dar. Was war an dem Konzept des Kaufhauses damals neu, das uns heute selbstverständlich erscheint? Und woher nahm die Familie Tietz ihre Inspiration?

Flora und Leonhard Tietz waren zu ihrer Zeit Visionäre, sie haben alles darangesetzt, das Einkaufen zu einem Erlebnis zu machen. Bevor sie ihren ersten Laden in Stralsund eröffneten, galt beim Betreten eines Geschäfts Kaufzwang. Wer also einen Laden betrat, der tat das in der festen Absicht, etwas zu erwerben. Und Flora und Leonhard haben das Umtauschrecht erfunden, damals undenkbar. Zu ihrer Zeit wurde um den Preis gefeilscht und auf Rechnung gekauft. Das Shopping in seiner heutigen Form wurde durch die Protagonisten der Kaufhaus-Reihe erst ermöglicht. Für mich war es äußerst reizvoll, die Anfänge vieler Selbstverständlichkeiten der heutigen Zeit zu erforschen und darüber zu schreiben.  Die damalige Zeit war eine Epoche des Umbruchs – nicht nur im Einzelhandel, sondern in der gesamten Gesellschaft.

 

Heutzutage verdrängen Ketten und der Onlinehandel zunehmend kleinere Läden. Hatte diese neue Art des Geschäfts auch damals schon ihre Kritiker?

Absolut, ja, und das wissen die wenigsten. Damals beherrschten die kleineren Kaufleute mit ihren Läden das Geschehen im Einzelhandel. Dass die Familie Tietz kam und durch ihren Ideenreichtum und Fleiß in vielen deutschen Städten wahre Konsumtempel aus dem Boden stampfte, war den ortsansässigen Händlern ein Dorn im Auge, denn sie fürchteten die große Konkurrenz. Insofern ist das, was wir gerade erleben, nichts Neues.

 

Flora und Leonhard Tietz stehen als ambitioniertes junges Paar im Mittelpunkt des Romans. Die beiden beruhen auf echten historischen Persönlichkeiten. Was konnten Sie in Ihren Recherchen über das Ehepaar Tietz herausfinden?

Das Kaufhaus – Zeit der Sehnsucht
Empfehlung

Über Leonhard Tietz habe ich im Rahmen der aufwendigen Recherchearbeiten viel erfahren können. So war er nicht nur kreativ und fleißig, sondern auch ein liebenswerter Mensch mit einem großen Herzen. Er liebte die Kunst, konnte sich an schönen Gemälden erfreuen und war ein Genießer, wenn es um Musik ging. Zudem war er wortgewandt und beliebt bei seinen Mitmenschen. Von Flora weiß man tatsächlich nicht viel, doch es ist mir gelungen, die Details, die über ihr Leben bekannt sind, im Roman zu verarbeiten. So war Flora eine für ihre Zeit moderne und emanzipierte Frau. In Leonhard traf sie auf einen Partner, der ihr Freiheiten gab, die für die damalige Zeit ungewöhnlich waren und von vielen Männern eher kritisch betrachtet wurden. Flora engagierte sich sozial und war Mitglied in Vereinen, die sich mit der Frauenbewegung beschäftigten. Außerdem ist bekannt, dass sie in Leonhards Leben und beim Werdegang des Geschäfts eine wichtige Verbündete für ihn war. Beratend stand sie ihm in vielen Dingen zur Seite, so, wie es im Roman geschildert ist. Im Geschäft war sie für die Werbung zuständig – sie verfasste die Annoncen für die lokalen Zeitungen und sie liebte es, die Schaufenster zu dekorieren. Diese Details haben die Figur meiner Flora lebendig gemacht – und zeigen, dass sie eine ganz besondere Persönlichkeit ihrer Zeit war.

 

Was können Sie allgemein zur Rolle der Frau im späten neunzehnten Jahrhundert sagen?

Wie schon erwähnt, war Flora eine moderne Frau, die in vielen Belangen ihrer Zeit weit voraus war. Damals war es üblich, dass der Mann wichtige Entscheidungen allein traf. Die Rolle der Frau beschränkte sich oft darauf, sich um den Haushalt und um die Erziehung der Kinder zu kümmern. Allein, dass Frauen im Berufsleben standen, war ungewöhnlich. Und Flora – im realen Leben wie im Roman – setzte sich über viele Konventionen hinweg und konnte sich dabei immer auf die Unterstützung ihres Mannes verlassen. Das war zur damaligen Zeit durchaus keine Selbstverständlichkeit.

 

Die Familie Tietz war jüdisch, wodurch spätere Generationen schwer unter der Verfolgung durch die Nationalsozialisten litten. Welche kulturellen Elemente aus der jüdischen Tradition haben Sie in den Roman eingebaut?

Die Hochzeit von Flora und Leonhard habe ich detailliert beschrieben – sie findet im Buch nach den religiösen Regeln des Judentums im späten 19. Jahrhundert statt. Es ist für die beiden eine Traumhochzeit. Ansonsten legen Flora und Leonhard Wert auf koschere Ernährung, ein Brauch, der bei vielen jüdischen Familien bis heute erhalten bleibt. Die Leser:innen sollen wissen, dass die Hauptfiguren jüdischen Glaubens sind, doch steht die Religion von Flora und Leonhard in der Regel nicht im Mittelpunkt. Die Aspekte ihres Schaffens, ihr Werdegang und der unverbesserliche Optimismus des Paars trotz aller gesellschaftlichen Widrigkeiten waren weitaus relevantere Facetten der Geschichte um Flora und Leonhard. Ungeachtet der schon damals existierenden Vorbehalte gegen jüdische Mitmenschen sind die beiden ihren Weg gegangen, und auf diesen Weg möchte ich die Leser:innen von »Das Kaufhaus« mitnehmen – auf eine spannende Zeitreise ins ausklingende 19. Jahrhundert.

 

Können Sie uns zum Abschluss noch einen kleinen Ausblick auf Band 2 und 3 geben?

Wir werden in den beiden Folgebänden erfahren, wie es mit Flora und Leonhard weitergeht. In »Das Kaufhaus – Zeit der Sehnsucht« stehen die beiden erst ganz am Anfang ihrer Erfolgsgeschichte. Die Leser:innen dürfen zudem gespannt sein, welche Konflikte innerhalb der Tietz-Familie entstehen und spätestens im dritten Teil werden wir Zeug:innen, wie die nächste Generation heranwächst, um das bis heute bekannte Kaufhaus-Imperium in die Zukunft zu führen. Dabei wird es den Familienmitgliedern nicht immer leicht gemacht, und auch private Schicksalsschläge bestimmen das Leben unserer Protagonist:innen.

Zu Teil zwei und drei der Saga

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