13. Jan. 2022

Guy Stern schrieb über seine Zeit als Ritchie Boy – nun starb er im Alter von 101 Jahren

Guy Stern, einer der letzten Ritchie Boys und Zeitzeugen der NS-Zeit, veröffentlichte 2022 anlässlich seines 100. Geburtstags seine Autobiographie »Wir sind nur noch wenige«. Darin nimmt er uns mit auf eine Reise durch sein bewegtes und bewegendes Leben, das am 7. Dezember 2023 endete.

Guy Sterns Geschichte beginnt in Hildesheim, wo er am 14. Januar 1922 als Günther Stern, Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, geboren wird. Heute ist er Ehrenbürger dieser Stadt, aus der er 1937 fliehen konnte und so als Einziger aus seiner Familie den Holocaust überlebte. Er floh in die USA, die ihm eine neue Heimat wurde und ihm, nach eigener Aussage, »das Leben rettete«. Sie gewährte ihm nicht nur Zuflucht und Bildung, sondern auch die Möglichkeit, gegen die Feinde seiner alten Heimat zu kämpfen, die ihm alles genommen hatten. Zusammen mit anderen deutsch-jüdischen Emigranten (darunter auch z. B. Stefan Heym und Klaus Mann) durchläuft er das spezielle Trainingsprogramm der »Ritchie Boys« und betritt am D-Day erstmals wieder europäischen Boden, um deutschen Kriegsgefangenen Informationen zu entlocken und damit zum Sieg der Alliierten über Nazideutschland beizutragen. Die Erlebnisse dieser relativ kurzen Phase seines Lebens sollten ihn nie mehr loslassen.

Wir sind nur noch wenige
Empfehlung

Erinnerungen eines hundertjährigen Ritchie Boys
Hardcover
23,00 €

Nach dem Krieg schlägt er eine Karriere als Literaturwissenschaftler ein und wird zu einem renommierten Experten für die neu entstehende deutsche Exilliteratur. Er kehrt immer wieder in ein sich ständig wandelndes Deutschland zurück und schreibt darüber in seinem Buch: »Im Krieg wie im Frieden ließ Deutschland mich nicht los, auch nicht als amerikanischen Staatsbürger. Und ich hoffe, in meinem langen Leben zu einem Vermittler und Versöhner zwischen beiden Völkern geworden zu sein.«

Und das ist ihm gelungen: Er arbeitet noch immer unermüdlich für die Erinnerung an den Holocaust und erweist sich als Brückenbauer zwischen Deutschland und den USA. Seine scharfen Beobachtungen einer Gesellschaft im Wandel und Begegnungen mit Menschen wie Marlene Dietrich, Thomas Mann, Lotte Lenya, Günter Grass oder James Baldwin gewähren tiefe Einblicke in die europäische und US-amerikanische Gesellschaft vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg und erzählen das ganz persönliche Jahrhundert eines außergewöhnlichen Lebens.

Seine Memoiren erschienen pünktlich zu seinem 100. Geburtstag am 14. Januar 2022.

Auch im Gespräch