»Wem kannst du noch trauen, wenn deine Liebsten dich belügen?« Petra Johann im Interview

Petra Johann ist bekannt für ihre psychologisch dichten Thriller, die sich einfachen Antworten entziehen und scheinbare Gewissheiten erschüttern. Ihr neuer Roman »Wem du traust« erkundet die fragile Grenze zwischen Vertrauen und Zweifel – und führt tief hinein in die Verletzlichkeit einer Freundschaft. Im Interview erzählt sie, wie sie die Figuren, die sie durch diese Zerreißprobe schickt, erst während des Schreibens wirklich kennenlernt.

Das Buch erscheint am 8. Dezember.
Wem du traust
Empfehlung

Wem du traust

Kriminalroman

Softcover
17,00 €

In deinem Kriminalroman »Wem du traust« stehen zwei langjährige Freundinnen im Mittelpunkt, deren Beziehung durch ein Verbrechen auf eine harte Belastungsprobe gestellt wird. Was hat dich an diesem Figurengefüge besonders gereizt?

Das war zunächst eine dramaturgische Entscheidung. Hauptfigur ist Eva, deren Mann verdächtigt wird, für das Verschwinden der fünfzehnjährigen Sofia verantwortlich zu sein. Um die Situation für Eva noch brisanter zu machen, habe ich Sofias Mutter Susanne zu ihrer besten Freundin gemacht. Zusammen haben sie Sofia großgezogen, sodass Eva auch zu dieser eine sehr enge Bindung hat. Soweit meine kühlrationalen Überlegungen vorab. 

Während des Schreibens habe ich mich dann so richtig in die Freundschaft zwischen Eva und Susanne verliebt und ihr mehr und mehr Raum eingeräumt. Ich finde, die beiden sind zwei tolle, starke Frauen. Wie sie für einander einstehen und einander vertrauen, ist etwas Besonderes.

Zitatgrafik aus Interview mit Petra Johann. Text: "Und ganz ehrlich: Bei den Szenen, in denen sie gemeinsam um Sofias Leben bangen, habe ich regelmäßig mit ihnen zusammen geweint."

Eine weitere zentrale Figur ist die Ermittlerin Heidi Westphal. Was war dir bei ihrem Charakter besonders wichtig?

Heidi Westphal ist eine patente, erfahrene Kriminalhauptkommissarin Anfang fünfzig, die ein kleines Team leitet und engagiert, aber auch mit der nötigen emotionalen Distanz ermittelt. Allerdings fällt ihr Letzteres im Fall von Sofias Verschwinden schwer, da sie selbst eine fünfzehnjährige Tochter hat, die Sofia sogar flüchtig kennt.

Zitatgrafik aus Interview mit Petra Johann. Text: "Sehr wichtig bei meinen Polizisten ist mir immer, dass sie alle – so unterschiedlich sie auch sind – professionell arbeiten, damit die LeserInnen und ich sie auch ernst nehmen können und gern bei den Ermittlungen begleiten. "

Porträtfoto Petra Johann
Autor:in

Petra Johann, Jahrgang 1971, ist promovierte Mathematikerin. Sie arbeitete mehrere Jahre in der Forschung und in der Softwarebranche, bevor sie mit dem Schreiben begann.

Entwickeln deine Figuren beim Schreiben ein Eigenleben, oder weißt du bereits im Voraus, wie genau wer handeln wird?

Oh ja, meine Figuren verändern sich immer ein wenig im Laufe der Geschichte. Ich plane zwar das ganze Buch im Vorhinein, inklusive Charakterstudien der wichtigsten Protagonisten, doch so richtig lerne ich sie erst beim Schreiben kennen. Daher ergeben sich noch kleine Änderungen, aber im Großen und Ganzen erfüllen sie ihre Rollen. 

Zitatgrafik aus Interview mit Petra Johann. Text: "Und zum Glück hat bis jetzt noch jeder meiner Täter am Ende brav seine von mir geplante Tat begangen! "

Du bist promovierte Mathematikerin und daher sicher eine analytische Denkerin. Würdest du sagen, dass dir das beim Schreibprozess hilft oder vielleicht eher im Wege steht?

Wenn ich eine hübsche Idee für eine neue Geschichte habe oder ein Thema, das mich interessiert und um das herum ich eine Geschichte stricken möchte, lasse ich meiner Fantasie freien Lauf und habe dann meistens sehr, sehr viele Einfälle. Um diese zu sortieren und die passenden auszuwählen und überhaupt den ganzen Plot logisch zu strukturieren, ist ein analytischer Ansatz hilfreich, allerdings kombiniere ich den gerne mit meinem Bauchgefühl, das mir sagt, ob ein Einfall etwas taugt oder nicht. 

Zitatgrafik aus Interview mit Petra Johann. Text: "In der Mathematik benötigt man sowohl analytisches Denkvermögen als auch sehr viel Kreativität, beides nutze ich beim Schreiben. "

Eine Eigenschaft, die mich beim Schreiben manchmal behindert, ist mein Perfektionismus. Deshalb habe ich einen Zettel auf meinem Schreibtisch, auf dem steht: Gut ist besser als perfekt. Er erinnert mich daran, dass es reicht, wenn ich mit meinen Büchern zu neunzig Prozent zufrieden bin. Wenn ich nach hundert Prozent strebe, werde ich nämlich nie fertig. 

Zitatgrafik aus Interview mit Petra Johann. Text: "Und ein 90%-Buch ist doch besser als kein 100%-Buch, oder?"

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